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Mit jedem Kredit erzeugen sie nicht nur ein Guthaben, sondern auch eine Forderung, die mit der Zeit wächst. Dieses Problem (und seine gravierenden Folgen) lässt sich mit keinem Trick aus der Welt schaffen. Aber mit einer Neuordnung des Geldschöpfungsprivilegs, das die Banken schleichend und ohne Volksentscheid oder gesetzliche Grundlage erlangt haben, kann es an der Wurzel behandelt werden.
Schon einmal hat die Schweiz dem Wildwuchs des Bankengeldes Einhalt geboten: 1891 beschloss das Stimmvolk, den Banken die Herausgabe von Noten zu verbieten und sie der Nationalbank zu übertragen. Dieser Grundsatz soll mit der Vollgeld-Initiative auch für das Buchgeld gelten, das in elektronischer Form von den Banken bei der Kreditvergabe erzeugt wird .
Die Vollgeld-Initiative sieht vor, dass nur noch die Nationalbank Geld schöpfen kann und die Banken nur noch Kredite mit Geld vergeben können, das sie tatsächlich haben. Die Banken würden nach einer Vollgeld-Reform also genau so arbeiten, wie sie selber behaupten: Geld der Sparer einsammeln und als Kredite weiterreichen.
Die Geldschöpfung ist ein Akt des Souveräns, was er vor der Einführung des privaten Bankengeldes immer gewesen war. Nur ist heute der Souverän nicht mehr ein Fürst, sondern wir alle als demokratisch organisierter Staat.
Die Bürgerinnen und Bürger als Geldschöpfer sind eine ökonomische Realität. Wir alle sind Geldschöpfer, indem wir Leistungen erbringen und damit ein Recht auf Gegenleistung schaffen. Wenn wir mehr oder wertvoller produzieren, muss auch die Geldmenge erhöht werden, damit die Preise stabil bleiben. Diese Form der Geldschöpfung erzeugt keinen Mehrwert – das kann Gelddrucken nie. Aber sie verteilt die Kaufkraft an dem von der Allgemeinheit erzielten Mehrwert auf gerechte Art und Weise.
Je grösser der demokratische Einfluss, desto gesünder ist ein öffentlicher Haushalt. Zu diesem Schluss kommen die beiden Ökonominnen Patricia Funk (Universität Pompeu Fabra, Barcelona) und Christina Gathmann (Universität Mannheim).
Die Forscherinnen analysierten die Finanzen der letzten 110 Jahre aller 26 Kantone und stellten fest: Je grösser die Mitbestimmung, desto gesünder die Finanzen, obwohl 86 Prozent aller 486 Finanzreferenden Zustimmung fanden. Kantone mit automatischem Finanzreferendum haben niedrigere Steuern, höhere Steuerehrlichkeit und eine bessere Wirtschaftsentwicklung.
Dass der Staat automatisch zu viel Geld druckt, wenn er kann, ist ein Märchen, das in der Schweiz jeder Grundlage entbehrt. Das Gegenteil ist eher wahr: Es sind vor allem die Banken, die in den letzten Jahrzehnten rund vier mal mehr Geld geschöpft haben, als die Wirtschaft gewachsen ist.
Die Angst vor dem mündigen Volk entbehrt also jeder wissenschaftlichen Grundlage und ist nicht mehr als ein Vorwand für die Einschränkung demokratischer Rechte.
Art. 99 Geld- und Finanzmarktordnung
1 Der Bund gewährleistet die Versorgung der Wirtschaft mit Geld und Finanzdienstleistungen. Er kann dabei vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen.
Die Initianten verstehen Teile des Finanzmarktes als service public, der unabhängig von der aktuellen Befindlichkeit der Banken funktionieren muss. Transaktionen müssen jederzeit möglich sein, auch wenn Banken in Schwierigkeiten geraten. Und die Geldversorgung darf nicht von privaten Interessen abhängig sein. Daraus leitet sich die Gewährleistungspflicht des Bundes ab. Er muss in der Lage sein, die zentralen Funktionen des Geldwesens sicherzustellen und braucht dazu eine Verfassungsgrundlage. Gewährleisten heisst natürlich nicht verstaatlichen, sondern nur garantieren, dass die unverzichtbaren Dienstleistungen jederzeit zur Verfügung stehen, wenn nicht von Privaten, notfalls auch durch Körperschaften des Bundes.
2 Der Bund allein schafft Münzen, Banknoten und Buchgeld als gesetzliche Zahlungsmittel.
Dies ist das Kernanliegen der Vollgeldreform. Sie bringt die Verfassungsbestimmung von 1891, nach der nur der Bund das Recht auf die Herausgabe von Münzen und Banknoten hat, auf den neusten Stand. In der Zwischenzeit hat nämlich das elektronische Geld auf den Bankkonten in seiner Bedeutung die gesetzlichen Zahlungsmittel (Münzen und Banknoten) weit überflügelt und macht heute rund 90 Prozent der Geldmenge aus. Die Geldschöpfung, einst das Monopol der Nationalbank, ist schleichend an die Banken übergegangen, mit allen damit verbundenen Nachteilen.
Anstatt mit jedem Kredit neues Geld zu erzeugen, dürfen die Banken nur noch das Geld verleihen, das sie tatsächlich haben, sei es von Sparern, Unternehmen oder der Nationalbank.
3 Die Schaffung und Verwendung anderer Zahlungsmittel sind zulässig, soweit dies mit dem gesetzlichen Auftrag der Schweizerischen Nationalbank vereinbar ist.
Die Existenzberechtigung privater Zahlungsmittel wird neu in der Verfassung verankert, zum Beispiel WIR, die Zahlungsmittel von Tauschringen und Lokalwährungen oder Internetgeld. Die Gültigkeit privater Zahlungsmittel beruht auf privatrechtlichen Vereinbarungen.
4 Das Gesetz ordnet den Finanzmarkt im Gesamtinteresse des Landes. Es regelt insbesondere:
a. die Treuhandpflichten der Finanzdienstleister;
b. die Aufsicht über die Geschäftsbedingungen der Finanzdienstleister;
c. die Bewilligung und die Beaufsichtigung von Finanzprodukten;
d. die Anforderungen an die Eigenmittel;
e. die Begrenzung des Eigenhandels.
Dieser Abschnitt gibt bestehenden und allfälligen neuen Bestimmung zur Gewährleistung wichtiger Leistungen von Anbietern im Finanzmarkt die verfassungsrechtliche Grundlage.
5 Die Finanzdienstleister führen Zahlungsverkehrskonten der Kundinnen und Kunden ausserhalb ihrer Bilanz. Diese Konten fallen nicht in die Konkursmasse.
Das Geld auf den Girokonten gehört den Kontoinhabern und wird ausserhalb der Bankbilanz geführt und ist deshalb pleitesicher. Heute ist das Geld auf den Bankkonten juristisch gesehen ein Kredit an die Bank, unterlegt mit 2,5 Prozent Mindestreserve und etwas Eigenkapital. Wegen dieser schwachen Sicherung ist der Bankrun die grosse Angst der Banken.
Geldkonten werden treuhänderisch geführt und erzielen keinen Zins. Erträge bringen nur Gelder auf Anlagekonten, die dann auch einem Verlustrisiko im Fall einer Bankenpleite unterliegen.
Art. 99a Schweizerische Nationalbank
1 Die Schweizerische Nationalbank führt als unabhängige Zentralbank eine Geld- und Währungspolitik, die dem Gesamtinteresse des Landes dient; sie steuert die Geldmenge und gewährleistet das Funktionieren des Zahlungsverkehrs sowie die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten durch die Finanzdienstleister.
Der erste Satz entspricht dem alten Art. 99 Abs. 2. Das «Gesamtinteresse des Landes» umfasst auch alle in der Bundesverfassung definierten Ziele, zum Beispiel die Nachhaltigkeit in Art. 73. Die Nationalbank bleibt auch wie bisher der Wahrung der Preisstabilität verpflichtet. Darunter versteht sie nach eigener Darstellung auch die Verhinderung von Finanzblasen bei Immobilien und anderen Vermögensgütern.
2 Sie kann Mindesthaltefristen für Finanzanlagen setzen.
Eine Mindesthaltefrist für Spargelder ist notwendig, um eine Umgehung der Vollgeldreform durch die Banken zu verhindern. Sie könnten den Zahlungsverkehr sonst mit Mitteln erfüllen, die im Sekundentakt von Spargeldern in Vollgeld umgewandelt werden.
3 Sie bringt im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages neu geschaffenes Geld schuldfrei in Umlauf, und zwar über den Bund oder über die Kantone oder, indem sie es direkt den Bürgerinnen und Bürgern zuteilt. Sie kann den Banken befristete Darlehen gewähren.
Diese Bestimmung wird oft missverstanden, als ob die Nationalbank Geschenke verteilen würde. Mitnichten! Wächst das Bruttoinlandprodukt (BIP) beispielsweise um zwei Prozent, also um rund 12 Mrd. Franken, muss die Nationalbank 12 Mrd. Franken neu in Umlauf bringen, um die Preisstabilität zu wahren. Diese Summe entspricht dem Mehrwert der volkswirtschaftlichen Produktion und kann schuldfrei und ohne inflationäre Wirkung dem Kollektiv und seinen Gliedern zur Verfügung gestellt werden, also Bund, Kantonen, Gemeinden und Bürgerinnen und Bürgern. Das ist kein Geschenk, sondern gewissermassen ein Entgelt für erbrachte Leistungen. Auch die Herausgabe der Münzen durch den Bund, deren Ertrag in die Bundeskasse fliesst, würde niemand als Geschenk bezeichnen.
Die Gewinne der Unternehmen werden von dieser Regelung allenfalls positiv beeinflusst, als mehr Geld für den Konsum zur Verfügung steht oder entsprechend weniger Steuern erhoben werden müssen. Menge und Details der Verteilung werden allerdings erst auf Gesetzesstufe, d.h. durch das Parlament geregelt.
Eine Staatsfinanzierung ist mit den Mitteln dieser souveränen Geldschöpfung nicht möglich. Die 12 Mrd. Franken aus dem Rechenbeispiel entsprechen bloss rund sieben Prozent der Budgets von Bund und Kantonen.
4 Sie bildet aus ihren Erträgen ausreichende Währungsreserven; ein Teil dieser Reserven wird in Gold gehalten.
5 Der Reingewinn der Schweizerischen Nationalbank geht zu mindestens zwei Dritteln an die Kantone.
Der Reingewinn der Nationalbank entsteht nur aus der normalen Geschäftstätigkeit und nicht aus der Geldschöpfung.
6 Die Schweizerische Nationalbank ist in der Erfüllung ihrer Aufgaben nur dem Gesetz verpflichtet.
Die Nationalbank ist dadurch vor Einflussnahme durch Behörden, Politik und Wirtschaft geschützt.
Art. 197 Ziff. 12
12. Übergangsbestimmungen zu den Art. 99 (Geld- und Finanzmarktordnung) und 99a (Schweizerische Nationalbank)
1 Die Ausführungsbestimmungen sehen vor, dass am Stichtag ihres Inkrafttretens alles Buchgeld auf Zahlungsverkehrskonten zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel wird. Damit werden entsprechende Verbindlichkeiten der Finanzdienstleister gegenüber der Schweizerischen Nationalbank begründet. Diese sorgt dafür, dass die Verbindlichkeiten aus der Buchgeld-Umstellung innerhalb einer zumutbaren Übergangsphase getilgt werden. Bestehende Kreditverträge bleiben unberührt.
Zum Zeitpunkt der Umstellung verwandelt sich das Geld auf den Girokonten (eine Schuld der Banken an die Kontoinhaber) in gesetzliches Zahlungsmittel der Nationalbank. Anstatt ihren Kunden gegenüber stehen die Banken nun in der Schuld der Nationalbank und müssen diese Verbindlichkeiten in angemessener Frist tilgen. Der Nationalbank fliessen auf diesem Weg im Laufe der Jahre rund 300 Mrd. Franken zu, die diese wieder in Umlauf bringen muss, um die Geldversorgung aufrecht zu erhalten. Die beste, aber im Verfassungstext nicht genannte Verwendung dieser Mittel ist die Rückzahlung der Schulden der öffentlichen Hand. Auf diesem Weg könnten sich Bund, Kantone und Gemeinden innerhalb von rund 20 Jahren vollständig entschulden. Vorsichtigerweise darf nicht mit einer vollumfänglichen Tilgung der Schulden der Banken gegenüber der Nationalbank gerechnet werden. Der überwiegende Teil des durch Bankkredite neu geschöpften Geldes ist nämlich in den Finanzmarkt, d.h. in Wertpapiere geflossen, deren Wert offensichtlich nicht stabil ist.
2 Insbesondere in der Übergangsphase sorgt die Schweizerische Nationalbank dafür, dass weder Geldknappheit noch Geldschwemme entsteht. Während dieser Zeit kann sie den Finanzdienstleistern erleichterten Zugang zu Darlehen gewähren.
Wieviele Spargelder in der Übergangsphase auf Treuhandkonten transferiert werden, ist aus naheliegenden Gründen schwer abzuschätzen. Um allfällige Engpässe bei den Spareinlagen – der Grundlage der Bankkredite – zu verhindern, soll die Nationalbank die Banken mit erleichterten Darlehen versorgen können.
3 Tritt die entsprechende Bundesgesetzgebung nicht innerhalb von zwei Jahren nach Annahme der Artikel 99 und 99a in Kraft, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen innerhalb eines Jahres auf dem Verordnungsweg.
Juristische Beurteilung der Vollgeldinitiative von Prof. em. Dr. Philippe Mastronardi, dem Verfasser des Initiativtextes.